Entscheidung auf Basis veralteter Daten verursachen jährlich 4 Mrd. Euro kosten
DIW revidierte die Zahl der Kinderarmut von 16 auf 10 Prozent
Kurz vor der Bundestagswahl 2009 veröffentlichte die OECD in Ihrem Bericht „Doing Better for Families“, das die Kinderarmut in Deutschland bei 16,3 Prozent im Jahr 2005 lag und damit weit über dem OECD Durchschnitt. Diese Zahl hatte die OECD wie üblich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erhalten. Aufgrund dieser Zahl entbrannte eine heftigen Diskussion in der Politik und führte nach der Bundestagswahl zu der Entscheidung, das Kindergeld um 20 Euro zu erhöhen. Die Anhebung kostet den Staat jährlich 4 Mrd. Euro.
Zum Zeitpunkt der politischen Debatte hatte das DIW allerdings die Zahl bereits auf 10 Prozent revidiert. Diese Zahl war aber bereits in den OECD Bericht eingeflossen!
Die OECD ist aber durch das DIW über die fehlerhafte Zahl informiert worden. Die Korrektur erfolgte durch die OECD allerdings erst jetzt im aktuellen Bericht 2011!
Das DIW wehrte sich kürzlich gegen den Vorwurf der Politik falsche Zahlen geliefert zu haben und damit eine falsche Entscheidungsgrundlage.
Das Institut erklärte, das die Unterschiedlichen Daten mit normalen Abweichungen bei einer revidierenden Statistik zu tun habe. Insbesondere bei der Armutsstatistik könnten kleine Verschiebungen in den Einkommensverhältnissen zu großen prozentualen Veränderungen führen. Dies könnte jetzt aber so nicht mehr vorkommen, da die Methodik zur Berechnung der Zahlen erheblich verbessert wurde.
Wie können solche o.g. weitreichende und kostspielige Fehlentscheidungen vermieden werden?
Meiner Meinung nach können folgende Maßnahmen helfen:
- Verursachen kleinste Verschiebungen der Messlatte hohe Schwankungsbreiten in den Ergebnissen, muss genauer das Datenmaterial hinsichtlich seiner Qualität geprüft werden.
- Es muss eine Permanente Überprüfung und stetige Verbesserung der Erhebungsmethodik erfolgen.
- Das Datenmaterial und der daraus abgeleiteten Ergebnisse, zur Erklärung komplexer Sachverhalte, muss mehreren unabhängigen und kompetenten Institutionen zur Verfügung stehen und vor Veröffentlichung verifiziert und verglichen werden.
- Sind genauere und Entscheidungssichere Zahlen nicht lieferbar, muss der Entscheider davon unbedingt in Kenntnis gesetzt werden.
- Es muss eine Kultur etabliert werden, sobald bekannt wird, das fehlerhafte Zahlen verwendet wurden, diese zu korrigieren und den Entscheider sofort darüber zu informieren. (In dem o.g. Fall hätte die OECD sofort Ihren Bericht korrigieren und neu Veröffentlichen müssen, und nicht erst zwei Jahre später mit dem neuen Bericht!
- Bin ich der Meinung, dass bei komplexen Sachverhalten, wie z.B. das Thema Armut, weitreichende Entscheidungen nicht auf einer Zahl beruhen dürfen!
(Quelle: Die Welt, Samstag, 07. Mai 2011, Seite 11)
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