Data Governance: Was sind Ihre Unternehmens-Daten wert?
Wie Organisationen ihre Daten in Geld bewerten können und warum Data Governance sich selbst finanziert.
Viele Unternehmen hadern noch mit dem Gedanken eine Data Governance einzuführen und fragen sich, welchen Mehrwert hat eigentlich Data Governance? Natürlich kann man jetzt sagen, was gibt es da noch zu überlegen. Wer im Zuge der Digitalisierung wettbewerbsfähig bleiben möchte, kommt an einer Data Strategy und der Einführung einer Data Governance nicht vorbei. Zumindest liest man das permanent in der Fachpresse und hört es ständig von vielen Beratern. Andererseits ist es absolut berechtigt in diesem Zusammenhang die ökonomische Frage zu stellen, welchen Mehrwert in Geld bringt eine Data Governance der Organisation und wieviel bin ich bereit zu investieren bzw. wie wird mein ROI (Return On Invest) aussehen.
Daten = immaterielles Wirtschaftsgut zur Steuerung einer wertorientierten Data Governance?
Zu Beginn muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Art von Wirtschaftsgut sind eigentlich Daten? Nach wie vor erwirtschaften die meisten Unternehmen ihren Umsatz mit materiellen Wirtschaftsgütern wie z.B. Maschinen, Autos, Nudeln, Toilettenpapier usw. Alles Waren, die sich anfassen lassen, also körperlich vorhanden sind. Immaterielle Wirtschaftsgüter sind z.B. Patente, Marken, Firmenbezeichnungen, Internet-Domains, Know-how, Verfahren und Prozesse, Kundenstamm, usw. So liegt der Schluss nahe, das Daten immaterielle Wirtschafsgüter sind.
Als nächstes stellt sich die Frage, wie bewerte ich denn immaterielle Wirtschaftsgüter und kann ich bestehende Methoden auf Daten anwenden?
Finanzielle Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände
Hierzu kann ich mich den gängigen Methoden der finanziellen Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände bedienen. Dafür kommen die drei nachfolgenden Ansätze in Betracht
Marktwertorientierte Verfahren
Bei Anwendung eines marktwertorientierten Bewertungsverfahrens werden auf der Basis tatsächlicher, am Markt erzielbarer Preise Anhaltspunkte für den Wert des immateriellen Vermögensgegenstandes abgeleitet.
Problematisch: Marktpreise vergleichbarer immaterieller Vermögensgegenstände sind häufig gar nicht bekannt
Kostenorientierte Verfahren
Kostenorientierte Verfahren orientieren sich an den geschätzten Reproduktionskosten für den zu bewertenden immateriellen Vermögensgegenstand. Anhaltspunkte können einerseits die historischen Kosten, andererseits die Wiederbeschaffungskosten geben.
Bei einer Bewertung anhand der historischen Kosten ist sorgfältig zu analysieren, welche Kosten tatsächlich für die Schaffung des immateriellen Vermögensgegenstands angefallen sind.
Ertragsorientierte Verfahren
Bei den ertragsorientierten Verfahren wird der Wert aus den zukünftigen finanziellen Überschüssen berechnet, die dem zu bewertenden immateriellen Gegenstand zugeordnet werden können.
Häufigstes Verfahren: Lizenzpreisanalogie
Bei der Lizenzpreisanalogie wird kalkuliert, welche Lizenzentgelte ein Unternehmen aufwenden müsste, wenn es den betreffenden immateriellen Vermögensgegenstand nicht besäße, sondern lizenzieren müsste. Der Wert berechnet sich dann als Barwert der ersparten zukünftigen Lizenzgebühren.
Bewertungsmöglichkeiten zur Ermittlung des Datenwerts für eine nachhaltige Data Governance
Welche Möglichkeiten bieten sich den ersten Ansatz der Marktorientierung anzuwenden?
Schon lange ist es möglich Daten für Marketing und Vertriebszwecke oder auch zur eigenen Datenbereinigung zu kaufen. Demnach muss es für die angebotenen Daten auch einen Preis im Markt geben. Diese Preise kann man bei den Anbietern erfragen aber auch eine Internetrecherche bietet sich an.
Nachfolgend eine beispielhafte Auflistung einiger Bewertungsmöglichkeiten:
Preis
Marktpreis Kundendaten (wenn man diese auf dem freien Markt kaufen würde)
- 0,065 € - 0,15 € pro Post-Adresse
- 7,50 € - 10,00 € TKP (Tausend Kontakt Preis) bei E-Mail-Adresse
Preis Adressbereinigung / Anreicherung
- 0,05 € - 0,40 € je Angereicherte Adresse (je nach Merkmalsanreicherung, z.B. Alter, Kaufkraft, Mobil Nr., …)
- 0,85 € - 1,98 € Umzugsabgleich pro Adresse/Person
Umsatz
- Produktlistenpreis (entgangener Umsatz, bei fehlerhaften Daten)
- Datenvermittler/-vermieter
- 0,96 € (Range 0,13 € – 3,82 €) Umsatz im Durchschnitt pro Adress-/Personendatensatz (Adressvermieter)
Kosten
- Zins
- Prozesskosten
Kundenzufriedenheit u. Vertrauen
Net Promotor Score (NPS) (Wie stark beeinflusst der NPS den Umsatz?)
(Quelle - Werte aus nachfolgenden Studien teilweise entnommen: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/Berichte/Oekon_Wert_Daten_Adresshaendler.pdf%3F__blob%3DpublicationFile%26v%3D6, https://www.svr-verbraucherfragen.de/wp-content/uploads/Open_Knowledge_Foundation_Studie.pdf)
Werteklassen (Vermögenswert von Daten) für eine optimale Data Governance Strategie
Je tiefer man sich mit dem Thema beschäftigt, umso mehr Werteklassen kristallisieren sich heraus. Einige haben eher einen quantitativen Charakter, andere eher einen qualitativen. Nachfolgend eine beispielhafte Auflistung von möglichen Werteklassen, die man für die Vermögensbewertung von Daten in Betracht ziehen kann:
Quantitativ
- (Wieder)-Beschaffung (Reproduktionskosten)
- Korrektur-(Kosten)
- Datenverwaltungs-Kosten (Datenpflege, System-Betrieb, Software-Lizenzen, etc.)
- Prozesskosten (5 – 10x höhere Prozesskosten bei DQ-Fehlern)
- Umsatz (Opportunitätskosten, entgangener Umsatz/DB1)
Qualitativ
- Potentialwert (z.B. Umsatz-Potential)
- Informationswert (Kontextuell)
- Customer Centricity
- Kundenvertrauen (z.B. NPS)
- Neue Services / Produkte
- Digitalisierung
- Innovation
- Weitere Faktoren
- Laufzeiten (z.B. Vertragslaufzeit)
- Fiskaljahr
- Wertverfall auf Zeit
Grundsätzlich können zwei Betrachtungsperspektiven eingenommen werden. Entweder generieren Daten einen Wert oder aber schlechte Daten erzeugen ein Geschäftsrisiko und wirken vermögenswertmindernd.
Nachfolgend eine Beispielgrafik, wie sich schlechte Kundendaten auf das tatsächliche Umsatzpotential auswirken können.
Bild1 - Data Governance | Auswirkung schlechter Datenqualität auf Vertriebs- / Marketingerfolg |
Szenario 1 zeigt beispielhaft, um wieviel Prozent das geplante Umsatzpotential bei Vermarktung über den E-Mail-Kanal reduziert, wenn für die ermittelte Zielgruppe nur 60% gute E-Mail-Adressen vorliegen. Dies Bedeutet, das 40% der Kunden nicht erreichbar sind und damit auch 40% des prognostizierten Umsatzpotentials nicht erreichbar ist.
Das 2 Szenario skizziert einen gleichen Fall mit fehlerhaften Kunden-Post-Adressen.
Jetzt stellen Sie sich zusätzlich vor, dass Kundendaten in dem Pool Ihrer Zielgruppe gleichzeitig schlechte E-Mail-Adressen und Post-Adressen aufweisen und dadurch über beide Kanäle nicht erreichbar sind. Dieses Umsatzpotential ist definitiv verloren.
Beispielhafte Datenwertberechnung für 1 Jahr zur Fokussierung einer Data Governance Strategie
Jetzt gehe ich noch einen Schritt weiter und möchte an drei Beispielen zeigen, wie viele Millionen verloren gehen, wenn Sie sich nicht um Ihre Daten in Form einer Data Governance kümmern.
Beispiel 1 zeigt, wie sich bei einem Datenqualitätsindex von 90% der Wert des Datenkapitals nach Marktpreisen reduziert. In diesem Szenario sind es über € 2 Mio.
Bild2 - Data Governance | Wertminderung durch schlechte Datenqualität |
Das 2 Beispiel geht bei dem gleichen DQ-Index von 90% bei 10 Mio. Kunden-(Daten) von € 1 Mio. Reduzierung des Umsatzpotentials aus.
Bild3 - Data Governance | Wertverlust Umsatzpotential durch schlechte Datenqualität |
Das 3 Beispiel zeigt, wie sich die fehlerhaften Daten auf die Prozesse und damit auf die Prozesskosten auswirken. In diesem Rechenbeispiel sind es € 5 Mio. höhere Prozesskosten.
Bild4 - Data Governance | Steigerung Prozesskosten durch schlechte Datenqualität |
Die Erfahrung zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass nicht nur eines der Beispiele auftritt, sondern immer alle drei in Kombination. Somit kommen wir gesamt auf einen Wertverlust von über € 8 Mio. Wenn Sie ehrlich sind, dann stimmen Sie mir zu, dass diese Beispiele noch sehr konservativ gerechnet sind und das Ergebnis schnell mal das 10-fache erreichen kann.
Nun treffen wir die Annahme, wir implementieren eine zentrale Data Governance mit folgenden Parametern.
- Für eine zentrale Einheit Data Governance werden 20 Mintarbeiter beschäftigt bei 100 Tsd. € Personalvollkosten pro Jahr je Mitarbeiter = € 2 Mio.
- 1 Mio. € Investitionen in Software und Verbesserungsmaßnahmen im 1 Jahr (z.B. Einführung DQ-Management, Data Catalog, Meta-Data-Management)
- Investition bei 3 Jahresplan = € 7 Mio.
- Verbesserung des Datenwertverlusts um 40% auf 3 Jahr (3 x 8 Mio. = 24 Mio.) – 40% = 9,6 Mio.
Dies bedeutet nach 3 Jahren eine Gewinnverbesserung auf € 2,6 Mio. Was wir in all diesen Berechnungen jedoch noch nicht berücksichtigt haben, sind die positiven Effekte auf die Compliance-Konformität (z.B. GDPR) und die erhebliche Verminderung oder sogar Vermeidung von Strafzahlungen in Millionenhöhe, die im Worst Case auch mal schnell 1 Milliarde und mehr betragen könnten.
In diesen Berechnungen ist auch noch nicht die gesteigerte Informationsqualität und deren positiven Effekte auf Umsatz, Gewinn und weitere Prozessoptimierungen berücksichtigt. Je besser ich gute Daten in einen kontextuellen Zusammenhang bringen kann, umso besser erkennen ich die Bedürfnisse der Kunden. Diese Erkenntnisse ermöglichen mir entsprechende Lösungen zu implementieren die schneller und nachhaltiger die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen als der Wettbewerb.
Den Beweis treten seit Jahren einige Digital-Unternehmen an und machen es uns vor, wie erfolgreich eine richtige Datenstrategie sein kann.
Der Datenwert bei Digital-Unternehmen im Jahr 2018*
Als letzten Punkt möchte ich noch aufzeigen, welchen Wert Daten bei einigen Digital-Unternehmen erzeugen.
Bild5 - Data Governance | Datenwert erfolgreicher Digital-Unternehmen |
(*Zahlen durch Internetrecherche erhoben, keine Gewähr auf Richtigkeit!)
Glauben Sie immer noch, ihre Daten sind nichts Wert und es lohnt sich nicht in eine Data Strategy und Data Governance zu investieren?
Ich würde mich freuen, wenn ich das Thema hier verständlich vermitteln konnte und zur Entscheidungsfindung oder -bestätigung beitragen konnte.
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